19.11.20 – Bericht aus Kara Tepe

1. – Ich habe heute ein schönes Bild von Lesbos erhalten. Es sind die neuen Masken die von den Afghanischen Frauen genäht werden mit den Nähmaschinen von Courage. (siehe Bild) Nr.1 Masken Ebenfalls haben die Flüchtlinge einen Dankesbrief vom Bürgermeister vom Moria erhalten und drücken ihre Freude aus, dass wir bei der Reinigung des Dorfes und seiner Umgebung nach dem Brand im September helfen konnten. Sie schreiben weiter „Am Anfang als wir sie gefragt haben waren sie ganz ängstlich. Wir sind bereit für jede Hilfe in der Zukunft und wir wissen, wie sehr Moria in all den Jahren unter der Situation gelitten haben.“

2.Aus dem Lager heute früh: „Guten Morgen nochmal. Heute ist kalt und sehr starker Wind. Wir erwarten, dass viele Tage so kommen. Und schau, das sind unsere Kinder fast zwei Monate nach der Eröffnung neuer Lager. Wir sind in Europa und wissen und haben selbst auf Facebook gesehen, wie Millionen für Moria gesammelt wurden? Wo ist dieses Geld, das fragen alle Leute hier.

Glaubt uns wirklich, wir verlangen nicht viel. Aber nur ein bisschen heißes Wasser für Duschen, einige Zelte, die nicht durch Wind zerstört werden, einige Spielplätze für unsere Kinder. Ein Ort, um einen Tee zu kochen.

Das neue Camp ist sehr windig und auf Lesbos besonders im Winter viel Wind. Man sieht sogar, wie schwierig es manchmal ist Plastikmüll zu sammeln. „ (siehe die Bilder dazu)

Als wir ins neue Camp gezogen sind, haben wir am ersten Tag gefragt: Bitte gebt uns einfach einen Platz für Bildungszelte, wir schaffen das selbst. Aber wir haben nur gehört: Morgen! Vielleicht morgen. Warte einfach.

Also wieder haben unsere Kinder gewartet und gefragt: Wo ist unsere Schule? Und die Frauen fragen: Wann können wir Englisch und Griechisch lernen?

Keine Zelte für uns. Nur einige große Organisationen haben Zelte, und jetzt müssen wir sie alle nach Zeit und Raum fragen. Schaut euch diese Bilder an! Dies ist eine unserer Schulen. Zu viele Leute kommen und das in Corona-Zeit. Wirklich, wir haben in unseren alten Schulen alle Regeln eingehalten, Abstand und wir waren vorsichtig. Aber auch das ist jetzt nicht möglich.

Warum nach zwei Monaten keine Zelte für uns da sind? Aber unsere Völker wollen lernen. Sie verlangen nicht viel. Sie fragen nur nach einem Platz zum Lernen.

3. – Wir hören, dass die Situation in Afghanistan, wo die meisten Mitglieder der MCAT herkommen, wieder zu schlecht wird. Fast jeden Tag Bombenangriffe. Das ist es, was wir entkommen sind, auch um eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu haben, damit sie erwachsen werden können. Wir haben gerade ein paar Bilder gefunden, wie sie in Afghanistan spielen.

4. – Thomas Osten Sacken schickte mir folgende Gedanken. Mann kann sie in seinen Namen veröffentlichen. Hat nichts dagegen. Er zeigt auf wie manche Organisationen spenden sammeln. Sehr lehrreich 18.11.2020

Was macht eigentlich die Caritas Österreich, die im Frühjahr Moria vor Corona retten wollte und dann mit 40.000 Rollen Klopapier erschien, die niemand brauchte?

Das habe ich mich heute Morgen gefragt, nachdem man seit einem Monat so gar nichts von ihr gehört hat, da nämlich waren zwei ihrer Mitarbeiter auf Lesbos, um sich ein „Bild vor Ort“ zu machen und mit den über 1,5 Millionen so richtig loszulegen, die man gesammelt hatte. Alleine 850.000 nach dem Brand via Facebook.

Seitdem: Schweigen. Auf der Homepage in Österreich nichts mehr auf der Startseite, man muss auf der suchen, bis man den Eintrag findet.

Aha: Ein paar Plastikplanen wurden gekauft, Movement on the Grund beim Bau von Essensverteilungen geholfen – das Essen stammt eh vom Militär – und einer anderen Organisation etwas Geld gegeben.

Ok, mit gutem Willen waren das nicht mehr als 50.000 Euro, mit Gehältern, Admincosts und was sonst so alles anfällt vielleicht 75.000 (denn ca 30 Cent pro gespendeten Euro bleibt ja so eh hängen).

Für GANZ Griechenland wurden laut Caritas Angaben 450.000 ausgegeben …. in den letzten zehn Monaten, das sind ca. 50% eines Facebook Calls aus dem September, nicht etwa der Summe, die insgesamt mit Moria eingeworben wurde.

Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Geschätzt dürften auf allerlei Konten von NGOs so um die drei Millionen, wenn nicht mehr, rumliegen, die mit Bildern aus Moria gesammelt wurden und zu Recht fragt man sich hier: Wo ist eigentlich all das Geld? Warum gibt es noch immer keine Duschen etc. pp.?

Lesbos ist der ganze Betrieb im Kleinen, aber leider funktioniert er auch im Großen genau so und es wäre höchste Zeit, dass Menschen, die mit besten Absichten spenden, anfangen, kritisch und nachdrücklich zu fragen, was eigentlich mit ihren Geldern so passiert. Stattdessen benehmen sich viele, als sei „ihre“ NGO eher ein Rockstar, dem man für jedes Post ein Like zu geben und ansonsten die Treue zu halten hat.

Bei der Caritas wurde nachgefragt, und zwar immer wieder, irgendwelche befriedigenden Antworten kamen seit Mai keine und nun scheint man sich entschlossen zu haben, das Kapitel „Moria“ einfach von der Startseite zu verbannen. Auch eine Lösung.

By the way, die der großen Libanonhilfe unzähliger NGOs, die Millionen nach der Explosion in Beirut gesammelt haben, scheint es ähnlich zu gehen. Auch davon hört man nicht mehr sonderlich viel und ich möchte mir gar nicht anfangen auszumalen, wer aus dem komplett korrupten Establishment dort sich an dieser Hilfe eine goldene Nase verdient hat.

PS: Man kann es auch einfacher formulieren. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich maximal 12.500 Menschen in Moria. Hätte man jedem einen Anteil der 850.000 einfach in die Hand gedrückt, es hätte enorm geholfen und wäre super gut angekommen.

Gestern schrieb ich über den Einsatz bzw. Nichteinsatz der Caritas Austria und erst später wurde mir das ganze Ausmaß bewusst.

Also ein kleines Update: Kurz nach dem Brand von Moria schaltete die Caritas einen Spendenaufruf auf FB, der ihr 895.000 Euro einbrachte und schrieb dort:

„Wir schauen nicht zu. Wir helfen ab sofort mit Nothilfepaketen. Laufend sollen die Menschen vor Ort mit wärmenden Decken, Hygienematerial und anderen dringend notwendigen Hilfsgütern versorgt werden.“

Über zwei Monate später, längst leben die Menschen im neuen Camp, der wirkliche Notfall damals dauerte zwei Wochen und ja, es wurden dringend Notfallpakete gebraucht, Zelte, Decken etc. für 12.500 obdachlos gewordene Flüchtlingen, die allerdings von anderen zur Verfügung gestellt wurden, zieht die Caritas ein Resümee, was mit ihrem Geld NACH dem Brand geschehen ist. Darin KEIN Wort, dass im betroffenen Zeitraum zwischen 8. September und 22. September auch nur EIN einziges Nothilfspaket verteilt wurde.

Fassen wir zusammen: In dieser Zeit herrschte hier das absolute Chaos, es galt Wasser, Nahrung, Medikamente, Zelte, Schlafsäcke etc. SOFORT zu beschaffen, zum Teil an Polizeisperren vorbei zu bringen und so zu verteilen, dass kein heilloses Chaos entstand.

Das wurde geleistet zum Teil von Leuten, die jeden Tag 20 Stunden auf den Beinen waren. Es war klar: Nach einiger Zeit werden die Flüchtlinge in ein neues Camp umziehen und dann ist die Notsituation vorbei. Es wäre einfach gewesen, mit drei Telefonanrufen herauszufinden, wer da im Getümmel steht und hilft und ein paar zehntausend Euro zu überweisen.

Lesbos befindet sich in der EU, eine Banküberweisung dauert in der Regel keine 24 Stunden, mit Western Union lässt es sich in einer bewältigen.

Zum Vergleich und keineswegs als Eigenlob gedacht. Stand by me Lesvos, die ich hier berate, half in dieser Zeit 506 Flüchtlingen – den Mitgliedern und Familien der lokalen Flüchtlingspartnerorganisationen – jeden Tag mit ALLEM (inklusive dem Kauf von Zelten, Schlafsäcken, neuer Kleidung) zwölf Tage lang, bis alle ins neue Camp umgesiedelt waren und gab dafür (Verwaltungskosten eingeschlossen) 16.000 Euro aus. Das sind umgerechnet 2,64 Euro pro Person. (Ok, das Lagerhaus wurde ebenfalls geleert also sagen wir 5 Euro pro Tag pro Person) Wären ALLE 12.500 Flüchtlinge in dieser Zeit so versorgt worden – also mit umgerechnet 5 Euro pro Tag und den vor Ort eh eingelagerten Hilfsgütern – hätte das an den betreffenden 12 Tagen 750.000 Euro gekostet, d. h. man hätte die ganze Intervention mit dem einen Spendenaufruf der Caritas decken können und es wären noch satte 140.000 Euro für Gehälter und Admin der Caritas übrig geblieben.

Sicher, dies ist eine ganz grobe Rechnung, sie soll nur verdeutlichen, was möglich gewesen wäre ohne großen Aufwand der Caritas. Und: Auch andere Organisationen sammelten in dieser Zeit fleißig Geld, das sich größtenteils noch immer auf deren Konten befindet.

All dies ist nicht Ergebnis einer umfassenden Recherche, sondern ergibt sich aus den von der Caritas selbst auf ihrer Homepage veröffentlichten Dokumente. Glücklicherweise haben alle Flüchtlinge hier diese üble Zeit ohne das Geld der Caritas überstanden, aber zehntausende Spender dachten ihre Gelder würden hier helfen. Sie irrten sich. Wer zahlt am Ende den Preis? Genau: Nicht etwa die Caritas, sondern all die Organisationen, die vor Ort unglaubliches geleistet haben, weil dann wieder heißt: Ja, ja diese NGOs sind ja alle unfähig etc. pp. Genau deshalb wäre es so wichtig, sich nicht von Bildern mit irgendwelchen Kindern und großen Ankündigungen triggern zu lassen, sondern genau nachzuschauen und nachzufragen. Und nein, hier geht es nicht spezifisch um die Caritas, sie ist nur ein Beispiel von vielen, sie macht es einem nur ganz besonders einfach.

Denn 895.000 Euro für Nothilfepakete zu sammeln und am Ende eigenen Angaben zufolge nicht ein Nothilfepaket verteilt zu haben ist schon eine wahrhaft herausragende Leistung. Und sie sammeln sogar weiter, wie dieser aktuelle Screenshot ihrer Seite zeigt https://www.caritas.at/…/fluechtlingshilfe-griechenland/