Die ganze Einrichtung macht ihrem Namen “Haus der Solidarität” alle Ehre
Das Leben im Haus der Solidarität im Ferienpark Thüringer Wald – https://www.ferienpark-thueringer-wald.de/haus-der-solidaritaet/
Das Haus der Solidarität im Ferienpark Thüringer Wald wurde ab 2016 als Flüchtlingsunterkunft einer besonderen Art aufgebaut. Viele Mitglieder und Freunde von SI haben tatkräftig mitgebaut oder gespendet. Dafür vielen Dank.
Flüchtlingen finden immer wieder eine Platz zum erholen
Ein bis dahin nicht genutztes Haus wurde komplett saniert. Aber auch andere Unterkünfte und Räume im Ferienpark wurden renoviert und stehen im neuen Glanz für ein Zusammenleben von Flüchtlingen, Urlaubsgästen und weiteren Bewohnern zur Verfügung. Die ganze Einrichtung macht ihrem Namen “Haus der Solidarität” alle Ehre.
Auch wenn die Behörden uns keine Flüchtlinge zuwiesen, fanden trotzdem immer wieder Menschen auf der Flucht hier einen Platz zum Erholen oder Austauschen, wurde notwendige Hilfe organisiert und auch zusammen gefeiert, gegessen, getanzt und gesungen. In der Belegschaft wurden zwei afghanischen Flüchtlinge unbefristet eingestellt. Der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität trifft sich hier und hat Ausstrahlung in der ganzen Region.
Seit einem Jahr haben wir auch ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Sie kamen durch Zusammenarbeit mit dem Frauenverband Courage und der MLPD in Nürnberg, denn viele Flüchtlinge gehen zuerst in die großen Städte. Mittlerweile sind etwa 50 ukrainische Flüchtlinge bei uns gewesen, einige nur für Tage, andere mehrere Wochen oder Monate und andere von Beginn des Krieges an bis heute.
Wir haben auch ukrainische Schulkinder und die Stadt Schalkau hat für den Schulbus eine Haltestelle am Ferienpark eingerichtet. Die Zusammenarbeit mit den Behörden hat sich konstruktiv entwickelt, auch wenn von der Hausleitung viele Prozesse der Registrierung selbst in die Hand genommen werden mussten.
Interviews unter ukrainischen Flüchtlingen
Einen guten Einblick in die Situation der Flüchtlinge und Fluchtursachen geben folgende Interviews, die eine junge Frau aus der Ukraine durchgeführt hat. Daraus hier ein (erster) Ausschnitt:
Das Leben ukrainischer Flüchtlinge im Haus der Solidarität
Die meisten Flüchtlinge sind mit ihrer Familie hierher gekommen. Einige auch alleine wie Nikolai (alle Namen geändert).
Nikolai lebte schon vor dem Krieg in der Nähe des 2014 – 2015 besetzten Gebiets im Osten der Ukraine.
Nikolai: Ich habe in einem Kraftwerk gearbeitet, hart gearbeitet. Ich habe versucht mich in meinem Beruf als Spezialist zu entwickeln. Alles hatte für mich geklappt. Aber im Sommer 2022 kamen russische Soldaten, da gab es keine Arbeit mehr für uns. Es wurde alles besetzt auch das Kraftwerk und mit der Zeit wurden die Ukrainer raus gedrängt. Ich sprach mit den Besatzern, dem russischen Militär, und wie sie sagten, hatten sie den Befehl, nicht auf das Kraftwerk zu schießen. Die ersten Kriegsmonate ging ich noch arbeiten, es gab keine aktiven Kriegshandlungen.
Das einzige, was wir hatten, war ein verminter Damm. Klar, das wird in einem Krieg gemacht. Aber es gab ein Dorf direkt unter dem Damm und im Fall eines Dammbruchs wäre es weggespült worden, mit den Menschen, mit den Kindern. Wir waren deshalb alle in großer Sorge. Wir haben mit den Bewohnern geredet sie sollen das Dorf verlassen, aber sie wollten nicht.
Und doch hat die Ukraine am 20. Mai 2022 versucht, den Damm zu sprengen. Die gesamte ukrainische Armee hat vorher unsere Stadt verlassen, sie hat die gesamte Ausrüstung und auch Computer aus den Schulen mitgenommen.
Wurde evakuiert?
Nein, natürlich wurde niemand evakuiert. Niemand wurde gewarnt. Am Freitag wurden wir vorzeitig von der Arbeit entlassen, weil Granaten auf das Kraftwerk flogen. Soldaten mit Abwehrraketen kletterten auf unser Dach, auf dem wir gerade arbeiteten. Wir haben das Betriebsgelände sofort verlassen. Natürlich haben sie uns von der Arbeit gehen lassen, das stimmt. Wir sind zu Fuß nach Hause gegangen. Die Raketen flogen uns um die Ohren und wir mussten 3 Kilometer laufen. Wir schafften es nach Hause und abends um 18 Uhr sprengten sie den Damm. Es gab eine so explosive Welle, dass wir von den Füßen gerissen wurden.
Und was geschah mit dem Dorf?
Es wurde nicht zerstört, denn der Damm aus Zeiten der Sowjetunion ist sehr massiv und ist nicht gebrochen. Aber die Explosion war so groß, dass alle Fensterscheiben raus flogen. Nur zwei Tage später änderte sich unsere Flagge, unsere Zugehörigkeit. Und eine Woche später gab es keinen Strom mehr, kein Wasser, kein Gas, keine Kommunikation. Dann kamen die Truppe Wagner zu uns. Also saßen wir wie auf Kohlen. Ich blieb noch 2 Monate und ging dann zu meiner Mutter.
Hast du in der Nähe deiner Mutter gelebt?
Meine Mutter lebt seit 2014 im besetzten Gebiet, in der DVR (Volksrepublik Donezk). Zwischen uns lagen 60 Kilometer. Aber um sie zu besuchen, musste ich 1500 Kilometer durch Russland reisen. Gut 2014 zu Beginn konnte man noch über die Landstraßen zu fahren. Aber ich bin ganz selten gefahren und schließlich gar nicht mehr.
Ist das Kraftwerk noch in Betrieb?
Nein, es arbeitet gerade nicht. Sie lassen da noch nicht einmal jemanden rein, es wurde nichts von Minen geräumt. Auch am Bahnhof ist noch viel zerstört. Die Menschen in der Stadt haben erst seit kurzem wieder Arbeit. Und alle räumen die Trümmer weg.
Wie hat sich das Leben durch den Krieg verändert?
Es gab keine Arbeit, kein Strom, Wasser, Gas, die Kommunikation war weg. Wer ist schuld? Nun, das ist Krieg, ich gebe hier niemandem die Schuld. Die einen kamen und beschimpfen die anderen, die anderen sind gegangen und schimpfen auch. Wer ist schuld, wenn alle nicht ehrlich sind? Krieg ist eine Katastrophe. Wann brachte Krieg Glück? Zumindest nicht für uns, wir füllen unsere Taschen nicht in diesem Krieg. Im Gegensatz zu unserer Führung im Land. Insgesamt ist das alles beängstigend. Viele Menschen sterben, aber es wird nicht nach einer Lösung gesucht, sie füllen nur ihre Taschen.
Wie gefällt es dir hier im Haus der Solidarität?
Mein Bruder war als Flüchtling schon hier. Er hat mich die ganze Zeit gebeten auch zu kommen, aber ich hatte lange keine Möglichkeit. Gott sei Dank hier ist es sicher, hier schießt niemand. Ich hatte mich schon an die dauernde Schießerei gewöhnt. Und auch die Leute in der Ukraine sind mittlerweile daran gewöhnt, dass immer geschossen wird und haben nicht ständig Angst. Aber die Kämpfe gehen weiter und man trifft immer öfter Menschen im Rollstuhl auf der Straße. Tatsächlich ist es beängstigend, dass wir keine Angst haben. Ich kann mir das erklären, aber ihr müsst uns verstehen lernen wie das ist, wenn wirklich geschossen wird und man sich verstecken oder in Deckung gehen muss.
Vielen Dank an Deutschland. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier aufgenommen wurde, eine Unterkunft habe und Sozialleistungen bekomme.
Sonja kam alleine nach Truckenthal
Sonja: Als der Krieg begann, war ich in der Türkei. Ich besuchte Freunde mit einer kleinen Tasche Sommerkleidung. Der Kriegsausbruch war ein großer Schock für mich. Meine Erinnerung scheint diese Frühlingszeit gelöscht zu haben.
Meine Heimatstadt Kiew war damals menschenleer, es war sehr gefährlich dorthin zurück zu kehren, und jeder, den ich kannte, versuchte die Stadt zu verlassen. Ich blieb also in der Türkei und suchte nach Arbeit, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als ich einen Job fand, stellte sich heraus, dass die türkischen Behörden weder ein Arbeitsvisum noch ein humanitäres Visum ausstellen. Es war ein weiterer Schock, als mir mitgeteilt wurde, dass ich nur ein paar Tage Zeit hätte, das Land zu verlassen.
Ich begann mit der Suche nach einem Ort an den ich fliehen kann. Ich nahm Kontakt zu einer Familie, die in Deutschland lebt auf. Ich fuhr dorthin, ohne zu wissen, was mich erwartet. Sie haben mir bei allem sehr geholfen. Es war im März in Deutschland noch kalt und verschneit, und ich hatte keine warme Kleidung. Doch viele Menschen, Organisationen und der Staat haben den ukrainischen Flüchtlingen geholfen.
Im Sommer 2022 bin ich in die Ukraine zurückgekehrt, in Kiew war es damals relativ ruhig. Aber im Oktober begannen in allen Städten der Ukraine wieder Bombenangriffe. Kiew war damals eines der Hauptziele. Die Alarme und Bombardierungen dauerten Stunden. Von Beginn an zielten diese Angriffe auf die Infrastruktur und wurden Strom, Wasser und Kommunikation unterbrochen. Eines Tages erwischte mich Fliegeralarm auf der Straße und sofort explodierte nicht weit von mir eine Rakete. In diesem Moment bekam ich große Angst, meine Hände zitterten und mir verschwamm alles vor den meinen Augen. Da entschied ich mich zurück nach Deutschland zu gehen.
Der Ferienpark in Truckenthal und das Haus der Solidarität gefiel mir sofort sehr, noch bevor ich hier ankam. Alles hier basiert auf den Grundsätzen der gegenseitigen Hilfe. Das heißt, die Leute vom Ferienpark, die Arbeiter und das Management sind den Flüchtlingen in allen Belangen sehr behilflich. Und im Gegenzug tragen die Flüchtlinge zur Entwicklung des Ferienparks bei. Manchmal haben wir Subbotniks, um das Gelände zu säubern, manchmal organisieren wir selber Einsätze, um Schnee oder Laub zu entfernen. Nun, ich denke, so sollte es sein, es ist Verantwortung für unseren gemeinsamen Lebensraum.
Wir sprechen darüber, wie wir im Haus selbst das Leben organisieren, dann helfen sich alle gegenseitig und jeder teilt alles. Wir haben z.B. auch eigene Reinigungsaufgaben für den Gemeinschaftsraum festgelegt und wir organisieren gemeinsame Fahrten zum Einkaufen und vieles mehr.
Wir sind hier mehrere Familien die nach und nach ankamen, so wie ich. Natürlich wurden wir alle zu Geiseln dieser Situation. Einige lernen bereits sehr intensiv die deutsche Sprache und gehen davon aus hier in Deutschland zu bleiben und zu arbeiten. Andere wollen unbedingt nach Hause, sobald der Krieg vorbei ist.
Aber im Allgemeinen sind alle ukrainischen Flüchtlinge, die ich getroffen habe, sehr besorgt. Fast jeder hat jemanden in der Ukraine zurückgelassen, denn es ist sehr selten das es gelang, mit der ganzen Familie zu fliehen. Zurück blieben alte Menschen, die nicht ausreisen wollen oder körperlich nicht in der Lage sind, Ehemänner, Brüder, die an die Front einberufen wurden oder als potentiell Mobilisierte nicht ins Ausland gehen dürfen. Vor diesem Hintergrund entwickeln Flüchtlinge auch Depressionen, oder man schafft es nicht sich von all den Schrecken zu erholen oder lebt mit einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Oleg lebt seit einigen Monaten im Haus der Solidarität.
Er ist auch ein Kind des Zweiten Weltkriegs. Er hat jetzt zwei Kriege in seiner Heimatstadt Charkow erlebt.
Wie hat alles begonnen und wie bis du hierher gekommen?
Oleg: Meine Erinnerungen gehen bis in den Sommer 1939 zurück. 1940 gingen mein Großvater und ich zur feierlichen Demonstration zum 1. Mai, die an einem sonnigen Frühlingstag von der Stadt Charkow abgehalten wurde …
Du hast das etwas falsch verstanden, ich meine den Krieg im Jahr 2022
Nein, der Krieg heute muss mit dem damaligen in Verbindung gebracht werden. Ich bin geflohen nur weil ich diesen Krieg durchlebt habe und die gleichen Schrecken und harten Bedingungen kein zweites Mal ertragen konnte.
Ich wurde in einer normalen Arbeiterfamilie geboren. Mein Vater war Mechaniker und alle in der Familie waren Arbeiter. Ein wichtiger Abschnitt in meinem Lebens war der Arbeitsbeginn in einem Betrieb. Wo die Arbeiter die ersten Erzieher meiner Person waren. Nicht eine Partei, noch sonst jemand, sondern die Arbeiter auf den Prinzipien der Zusammenarbeit und des kameradschaftlichen Zusammenwirkens der Menschen.
Unerwartet für mich begann der jetzige Krieg. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein persönliches Gesundheitsproblem. Am 24. Februar 2022 musste ich zur Operation in die Klinik. Zusammen mit meinem Sohn kamen wir am 23. abends an und die Kämpfe begannen früh am Morgen. Die Ärzte sagten mir: „Großvater, der Krieg hat begonnen und sie können uns sofort zu den Truppen bringen, da wir Chirurgen sind. Dann müssen Sie nach der Operation unbeaufsichtigt hier bleiben. Versuchen Sie deshalb, die Ukraine heute zu verlassen, um diese Operation im Ausland durchzuführen.“ Also stiegen mein Sohn und ich ins Auto und fuhren los.
Für mich war es wie ein Märchen, wie wir im Haus der Solidarität empfangen und umsorgt wurden. Ich bin sehr froh, dass ich an diesen Ort mit einer so menschlichen, freundlichen und angenehmen Einstellung gekommen bin.
Eine andere Sache, auf die ich hinweisen möchte ist, dass der Krieg in der Ukraine nicht nur eine russische Invasion ist. Dies ist eine vorbereitete Operation von außen. Und in diesem großen Kampf werden sie alle Waffen liefern, sie werden die Völker sehr fein gegeneinander vergiften, damit dieses Feuer nicht erlischt, sondern aufflammt.
Die Hauptaufgabe der Weltgemeinschaft besteht jetzt nicht darin, den Krieg weiter zu entfachen, nicht diese Panzer, Flugzeuge, Granaten und Raketen zu liefern. Warum? Denn dies ist der Beginn des dritten Weltkriegs. Das darf nicht zugelassen werden. Die Welt, die mieseste Welt, ist besser als ein solch barbarischer Krieg. Davon bin ich überzeugt.
Ein Ehepaar, Vera und Alexander:
Vera: Als der Krieg begann, waren mein Mann und ich im Ruhestand. Irgendwie waren wir erst im Herbst 2022 bereit, die Ukraine zu verlassen. Wir dachten immer, der Krieg ist bald zu Ende.
Wann und warum habt ihr euch entschieden zu fliehen?
Alexander: Nun, zu Beginn des Krieges sind einfach viele geflüchtet. Die Mutigeren sind ins Ausland gegangen oder solche, die nichts mehr zu verlieren haben. Wir gingen in die Zentralukraine, lebten in einem Hotel. Es gab keine Plätze, wir schliefen auf dem Boden. Dann konnten wir lange Zeit keine Wohnung finden.
Vera: Und wegen unserer Tochter wollten wir nicht gehen. Sie ist bei ihrem Mann und ihren Mann haben sie nicht gehen lassen. Nun, wie können wir sie in der Ukraine lassen und ins Ausland gehen? Deshalb fühle ich mich jetzt manchmal unwohl, weil sie da geblieben sind. Aber sie hat uns bestärkt zur gehen.
Wir sind durch die Ukraine gezogen und haben schließlich eine Wohnung in Tscherkassy gefunden. Es war generell extrem schwierig, eine Wohnung zu finden, weil die Menschen so massenhaft vor dem Krieg weggelaufen sind, es gab einen sehr starken Flüchtlingsstrom. Im Sommer haben wir in Tscherkassy gelebt, uns mit den Nachbarn angefreundet, ich habe sogar einen Job bekommen und bin irgendwie nach allem wieder zur Ruhe gekommen.
Aber im Oktober begann die Bombardierung der Infrastruktur und ich floh zum ersten Mal aus der Stadt. Am 31. Oktober 2022 morgens gehe ich zur Arbeit und das Licht, die Kommunikation, das Wasser sind ausgeschaltet, alles ist geschlossen, keine Arbeit. Auch das Geld ging zu diesem Zeitpunkt bereits zur Neige und wir beschlossen, nach Charkow in unser zu Hause zurückzukehren. Wir waren unterwegs, es gab nicht einmal eine Verbindung, um Verwandte zu informieren.
Wir kommen in Charkow an und am gleichen Abend massiver Beschuss. Durch diese Explosionen bin ich in Panik geraten und es wurde immer schlimmer. Wir kontaktierten Freunde, die zu dieser Zeit bereits im Ferienpark in Truckenthal waren. Und dann sind wir hierher gekommen. Wir haben nur ganz wenig Dinge mitgenommen. Für uns war es sicherlich ein Kraftakt, zum ersten Mal überhaupt ins Ausland zu gehen.
Ich kann immer noch nicht glauben, wie das passieren konnte. Das der Krieg zu uns kommt, in die Ukraine, in einen entwickelten Staat mitten in Europa.
Danke natürlich für die Aufnahme. Manche Bekannte glauben gar nicht, dass wir hier so aufgenommen wurden. Und ich freue mich immer, wenn hier Hilfe gebraucht wird, ich werde immer helfen.