Am 18. Februar wird die Klage von Alassa Mfouapon gegen das Land Baden-Württemberg verhandelt
Pressemitteilung von SI, 09/02/2021
Gibt es Premium-Menschenrechte und „down-gegradede“?
Um diese Frage wird es unter anderem gehen, wenn am 18. Februar, ab 10:00 Uhr, das Verwaltungsgericht Stuttgart in der Augustenstraße 5 (Saal 5, 1. OG) in Sachen Alassa Mfouapon gegen das Land Baden-Württemberg verhandelt.
Der Kläger, Flüchtling aus Kamerun, war im Juni 2018, unter brutalen Umständen vom Land Baden-Württemberg nach Italien abgeschoben worden. Von dort aus erhebt er am 18. September 2018 Klage wegen eines brutalen Polizeieinsatzes in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen, sowie gegen die traumatisierenden Umstände seiner Abschiebung.
Bei dem Polizeieinsatz in der LEA waren bis zu 600 martialisch ausgerüstete Polizeibeamte gegen die schlafenden Asylsuchenden ausgerückt, hatten – unverschlossene – Türen eingetreten und – ohne richterlichen Beschluss oder Zustimmung der Betroffenen – alle Räumlichkeiten und Personen durchsucht. Elf, der in Deutschland Hilfe suchenden Asylbewerber, wurden teils schwer verletzt. Kosten des Einsatzes: mindestens eine halbe Million Euro!
Wenige Tage nach diesem Vorfall organisierte Herr Mouafpon gemeinsam mit anderen Flüchtlingen eine friedliche Protestdemonstration in Ellwangen. Sie wandten sich unter der Losung „Viel wurde über uns geredet. Jetzt reden wir. Wir sind Flüchtlinge – keine Kriminellen“ an die Öffentlichkeit.
Strafexpeditionen …
… gibt es seit dem Ende der Kolonialzeit nicht mehr. Doch die plötzlichen und brutalen Umstände der Abschiebung von Herrn Mfouapon kurz nach dieser Demonstration nach Italien, tragen durchaus Züge davon: Wurde hier jemand mit Abschiebung bestraft, weil er das Selbstverständliche gemacht hat, nämlich sein Recht wahrzunehmen, seine Meinung zu sagen und sich zu organisieren?
Das scheint zumindest die Absicht von Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu sein, der allein die hohen Kosten, den rechtswidrigen Missbrauch der Polizei zu politischen Zwecken und die Verstöße gegen Grund- und Menschenrechte zu verantworten hat.
Das baden-württembergische Innenministerium reiht sich damit ein in die ganze Rechtsentwicklung bis zu EU-Behörden. Seit Monaten stößt die „Grenzschutzorganisation“ Frontex mit illegalen „Push-backs“ anlandende Flüchtlingsboote voller Menschen zurück ins Mittelmeer. Dass dabei – Kinder, Alte, Frauen – ertrinken, nehmen die Offiziellen der Organisation bewusst in Kauf. Aber die EU will angeblich nichts davon gewusst haben! In den Lagern der EU – wie unter anderen in Lipa/Bosnien, Kara Tepe/Lesbos – müssen Menschen, die vor Krieg, Terror und Unterdrückung fliehen, unter unwürdigsten Bedingungen hausen. Sie sind Kälte, Wind, Schnee und Regen ausgesetzt. Millionen Euro Hilfsgelder der EU versickern in dubiosen Unternehmen, ohne dass die Behörden deren Leistungen – oder besser: Nicht-Leistungen, kontrollieren.
Hilfe bietet dagegen die große Unterstützung durch Geld- und Sachspenden der Menschen in der EU und die Selbstorganisation der Flüchtlinge: Sie reparieren ihre Stromleitungen selber, sie nähen Corona-Schutzmasken für sich und die Bevölkerung, sie sammeln Müll ein, tauschen Plastikflaschen zum Recyclen gegen Lebensmittel.
Diese Selbstorganisation der Menschen ist entscheidend, um Hilfslieferungen entsprechend der tatsächlichen Bedürfnisse zu verteilen und die eigenen, berechtigten Interessen zu vertreten. Dies zeigt, dass die Initiative der Menschen vorhanden ist und sie keine hilflose Masse sind. Sie brauchen keine Almosen wie Bittsteller! Sie haben den Willen, Kompetenzen und Fähigkeiten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Den Flüchtlingen stehen die vollen Menschenrechte zu.
Die werden ihnen aber verwehrt, solange die EU ihre „Asylsuchenden-Abschreckungspolitik“ fortsetzt. Haben Menschen, die um Hilfe bitten, die auf der Flucht sind, eingeschränkte, sozusagen „down-gegradede“ Rechte?
„Solidarität International e.V. (SI)“ unterstützt, dass die Menschen selbst zu Wort kommen – in den Lagern an den EU-Außengrenzen und auch hier – wie im Falle von Alassa Mfouapon. SI unterstützt die Klage des Mitglieds des „Freundeskreises Flüchtlingssolidarität in SI“ und ist stolz auf diesen Freundeskreis. Als internationale Solidaritäts- und Hilfsorganisation leistet SI solidarische Hilfe auf Augenhöhe. Wir sind deshalb der Meinung, dass Menschen – nur weil sie nicht aus Europa stammen – nicht weniger in der Lage sind, ihre Sache selber in die Hand zu nehmen. SI setzt auf gemeinsames Lernen voneinander und solidarisches Miteinander.
Um solche berechtigen Prozesse führen zu können, unterhält SI einen Hilfsfonds. Wer den Prozess finanziell unterstützen möchte, kann dies tun auf das Konto:
Frankfurter Volksbank
IBAN: DE86 5019 0000 6100 8005 84
BIC: FFVBDEFF
Stichwort: „Freundeskreis Flüchtlingssolidarität Prozesse“
Zu dieser Pressemitteilung gibt es eine wichtige Richtigstellung des Anwaltsbüros von Alassa Mfouapon vom 11. Februar 2021, die wir hier dokumentieren:
„Liebe Freundinnen und Freunde, danke für die PM.
Problematisch ist folgende Aussage:
„Das scheint zumindest die Absicht von Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu sein, der allein die hohen Kosten, den rechtswidrigen Missbrauch der Polizei zu politischen Zwecken und die Verstöße gegen Grund- und Menschenrechte zu verantworten hat. Das baden-württembergische Innenministerium reiht sich damit ein in die ganze Rechtsentwicklung bis zu EU-Behörden.“
Der Angriff wurde tatsächlich unter Einbeziehung auch in Kenntnis des Ministerpräsidenten und dessen Einbeziehung von verschiedenen Stellen koordiniert, wobei auch der Grünen-Politiker Berthold Weiß, der auch Leiter der LEA Ellwangen ist, aktiv tätig war. Die gesamte Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien Die Grünen und CDU haben diesen Angriff auf die demokratischen Rechte und Freiheiten der Flüchtlinge zu verantworten. Sie haben ihn auch gerechtfertigt und rechtfertigen ihn bis heute. Die zitierte Bewertung ist daher einseitig und entspricht auch nicht den Fakten.
In der Vertretung von Alassa M. und unserer Klage und deren Begründung haben wir dies auch deutlich gemacht.
Herzliche und solidarische Grüße
Roland Meister“