Ecuador: Das Volk Terroristen?

Am Wochenende erreichte die Bundesvertretung von Solidarität International e.V. (SI) ein besorgniserregender Bericht aus Ecuador. Da in den europäischen Medien fast nichts davon zu erfahren ist, stellen wir den Bericht als Hintergrundmaterial hier ein:

aktualisiert, 01/10/2025, 22:00 Uhr:

Es findet eine enorme Desinformationskampagne statt

  • Vergangene Woche wurde versucht, die indigene Bewegung zu spalten, indem behauptet wur-de, die Führung hätte den Abbruch des Streiks ausgerufen. Das hat die Basis zunächst aufge-bracht und sie waren fest entschlossen den Streik trotzdem fortzuführen. Wenig später verbrei-tete allerdings der Präsident der Conaie ein Interview, in dem er dies verneint und die Gründe er-klärt, weshalb sie eben auf keinen Fall den Streik abbrechen werden. Am nächsten Tag wurde die Anklage gegen ihn und zwei weitere Führer wegen Terrorismus eingereicht, ihnen drohen bis zu 40 Jahre Haft. Zugleich wird allen Indigenas pauschal vorgeworfen Terroristen zu sein und zur Mafia „tren de Aragua“ zu gehören. Trump hat genau dies auch den Venezolanern in den USA pauschal vorgeworfen. Die Menschen antworten zu tausenden mit Tänzen auf der Straße. Es sind im ganzen Land jeden Tag mehr Menschen auf der Straße, die Repression ist bisher nur in Imbabura und hält unvermindert an.
  • Der Konvoi vorletzte Nacht mit ca 100 Militärfahrzeugen, größtenteils gepanzerte Laster, soll ein humanitärer Konvoi gewesen sein, mit Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung, mit dabei Präsident Noboa, die Vertreter Italiens und der EU. Völlig guten Willens seien sie von Terroristen in einen Hinterhalt gelockt worden. Der Konvoi ist tatsächlich in die Dörfer gefahren, allerdings um 2 Uhr morgens, der Strom und das Internet wurden zu dieser Zeit gekappt, …

Protest gegen Präsident Noboa

Präsident Noboa war in der Provinzhauptstadt Ibarra, dort waren massenhaft Leute auf der Straße, um ihre Ablehnung kundzutun und Cotacachi zu unterstützen („Cotacachi halte durch, Ibarra steht auf“). Der Bürgermeister von Ibarra spricht von einer Dialogbereitschaft, ob dies stimmt, ist nicht klar.

Drei der zwölf Verhafteten im Gefängnis von Esmeraldas sollen wohl nach Imbabura zurückkehren, damit ihnen dort der Prozess gemacht wird, auch das ist noch nicht sicher.

Der Tod von Efrain Fueres, einem indigenen Führer, war wohl eine gezielte Hinrichtung und soll unter-sucht werden. Einer, der ihm zur Hilfe eilte, wurde zusammengeschlagen, vor laufender Kamera. Dies hat die Mobilisierung weiter vorangetrieben.

Frente Popular wird sich ab Donnerstag landesweit dem Streik anschließen.

Sie rufen zu einem nationalen Kongreß auf, zur Verteidigung der sozialen Sicherheit, er soll am 18.Oktober in Guayaquil stattfinden.

aktualisiert, 29/09/2025, 22:00 Uhr:

Liebe BV,

die Situation in Imbabura wird immer schlimmer.

Dörfer in Cotacachi (nahe Otavalo) haben beim nächtlichen Eindringen des Militärs einige Soldaten festgenommen. Gestern Nacht ist der Konvoi einer ganzen Militär-Brigade nach Cotacachi gefahren und hat gedroht, in die Häuser einzudringen und jeden Mann mit langen Haaren zu verhaften, so dass sich die Männer aus etlichen Dörfern die Nacht im Umland verstecken mussten. Gleichzeitig wurden Internet und Licht gekappt.

Ich habe Armin ein paar Fotos geschickt für die Homepage. Es wird möglicherweise schwieriger welche zu bekommen. Die Leute versuchen zwar alles zu dokumentieren, es darf aber gleichzeitig aus Sicherheitsgründen niemand erkannt werden. Es sind bei weitem nicht nur Indigenas, die auf die Straße gehen, aber sie sind die Zielscheibe der Repression.

Die zwwölf Verhafteten, zu denen der Zugang verweigert wird, wurden in ein Gefängnis nach Esmeraldas (andere Provinz) gebracht, in dem sich verfeindete Banden vor ein paar Tagen ein Massaker geliefert haben mit 17 Toten.

Immer mehr indigene Gemeinden schließen sich im ganzen Land dem Protest an.

Für ab dem 02.10. organisiert sich eine Gruppe sozialer Bewegungen. Bald ist ein Großteil der Bevölkerung in irgendeiner Weise aktiv. Ecuadorianer in Brasilien einen Protestmarsch zur Botschaft.

[… Es wird jemand am Webinar von United Front teilnehmen]

Aida hat einen Bericht geschrieben, der soll übersetzt werden. Ich habe gebeten, die Übersetzungen auch uns zur Veröffentlichung zukommen zu lassen. Für Sonntag gibt es dann nochmal einen kurzen aktuellen Beitrag.

Liebe Grüße

Jutta

(28/09/2025)

Liebe Freunde,

die Situation in Ecuador spitzt sich sehr besorgniserregend immer weiter zu.

Seit Jahren nimmt die Kriminalität im ehemaligen Schwellenland Ecuador rasant zu, die Wirtschaft bricht ein, es gibt eine extrem hohe Mordrate. Drogenbanden liefern sich Kämpfe mit dem ecuadorianischen Staat, dieser hat sich unter diesem Vorwand massiv hochgerüstet, geht aber gegen die Banden kaum vor. Die Regierung ist inzwischen aus Quito nach Latacunga geflohen, die Stadt ist vom Militär abgeriegelt.

Auslöser des jetzigen Streiks …

… sind Entscheidungen des Präsident Noboa, die Subventionen für Diesel und Gas zu streichen; internationalen Firmen die Türen zu öffnen, egal ob Trinkwasserreservoire verseucht werden; ausländische Militärbasen ins Land zu lassen. Schon jetzt wissen viele nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen. Es begannen die Berufskraftfahrer Straßen zu blockieren, ihnen schlossen sich immer mehr Organisationen an. Seit dem 22.09.25 hat sich auch die Conaie (Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors) dem landesweiten Aufstand angeschlossen. SI e.V. hat direkten Kontakt zur Chijallta-FICI, ihrer Regionalorganisation in der Provinz Imbabura. Dort ist die Organisierung des Aufstandes und die Repression zurzeit besonders stark, in den anderen Provinzen gewinnt der Aufstand an Kraft. In Imbabura geht die Regierung mit brutaler Härte gegen die Demonstrierenden und die Bevölkerung vor, bis an die Zähne bewaffnet und mit gepanzerten Fahrzeugen gegen Unbewaffnete. Seit ein paar Tagen feuern sie aus Hubschraubern Unmengen von Tränengas. Sie dringen nachts in die Dörfer ein und sprühen Tränengas in die Häuser, verhaften willkürlich Menschen, seit gestern schießen sie auch scharf und es wurde Sprengstoff gefunden, es gibt Tote und Verletzte. Teilweise wird das Internet abgestellt. Es gibt eine Ausgangssperre, das öffentliche Leben liegt lahm. Die Menschen werden zu Terroristen erklärt. Das ist Krieg gegen die eigene Bevölkerung!

Zwölf Menschen wurden willkürlich verhaftet, …

… unter dem Vorwand Terroristen zu sein, kein Anwalt, keine Angehörigen, haben Zugang zu ihnen. Unter diesen zwölf Personen ist auch ein stark körperbehinderter Mann, der nicht wegrennen konnte. Es hat sich eine Gruppe von Rechtsanwälten gebildet, die den Verhafteten beistehen, viele haben sie auch schon wieder rausgeholt, aber zu den zwölf haben auch sie keinen Kontakt. Sie suchen internationale Unterstützung, haben sich auch an die UNO gewendet, von dort kam wohl die Aufforderung an Noboa, die Repression zu beenden und die Menschenrechte zu wahren.

Aida erzählt mir, dass auch in den offiziellen ecuadorianischen Medien nicht von der Situation berichtet wird. Das Einzige, was ich hier finden konnte, ist eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.

Dieses Schreiben geht auch an die United Front, die ecuadorianische Bevölkerung braucht dringend internationale Unterstützung, was dort geschieht muss in die internationale Öffentlichkeit.

Liebe Grüße

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