- Sie sind 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung, um zu helfen nach Moria gekommen. Das Lager war damals mit über 40.000 Menschen völlig überfüllt. Wie haben Sie die Situation empfunden?
Ich bin ganz zufällig nach Lesvos gekommen (eigentlich für ein Seminar), August 2015. Als ich die Not und das Leiden gesehen habe, fühlte ich, dass ich keine andere Wahl hatte als mich zu engagieren und zu helfen. An den Stränden kamen Leute mit Frostschäden, Schusswunden (von den Schmugglern), hoch schwangere Frauen und neugeborene Kinder an. Die Freiwilligen haben buchstäblich Menschen das Leben gerettet. Griechenland oder EU war nicht präsent um zu helfen. Im Lager schliefen Kinder auf Papplatten, weil keine Matratzen vorhanden waren. Menschen warteten bis zu 12 Stunden am Tag in den Essensschlangen, es waren zu wenig Duschen und Toiletten und Müll floss überall. Ich hätte nie gedacht ich würde so etwas in Deutschland erleben.
- Es wird von Regierungen oft darauf verwiesen, „Fluchtursachen zu bekämpfen“. Mit GEAS sollen Flüchtlinge unter anderem nicht einmal europäischen Boden betreten können. Das sieht nach BEkämpfung der Flüchtlinge aus, nicht der Fluchtursachen?
Das neue Abkommen bekämpft nicht nur die Flüchtlinge, sondern bedroht auch das grundlegende Menschenrecht sich um Asyl zu bewerben und Schutz zu suchen. Das hat die EU seit Jahren gemacht. Das neue Abkommen wird nur zu mehr Leiden und Tot führen.
- Fluchtursachen sind oft die Ausbeutung rohstoffreicher, aber armer Länder durch rohstoffarme, reiche Länder und die begonnene Umweltkatastrophe. Wie soll „Fluchtursachen bekämpfen“ aussehen?
Mein Fokus in meiner Arbeit und unser Buch ist primär, wie Flüchtlinge behandelt werden, wenn sie nach Europa gekommen sind. Was mir Menschen auf der Flucht erzählen, ist, dass sie wegen Krieg, Unterdrückung und Not flüchten. Sollen wir verhindern, dass Menschen flüchten, müssen wir für Frieden, gleiche Rechte und eine bessere Verteilung der Ressourcen arbeiten.
- SI möchte „Hilfe zur Selbsthilfe, Selbstorganisation und Selbstbefreiung“ leisten, weil wir es mit Menschen zu tun haben, die in ihrer Heimat ihr Leben eigenständig führten. Das kann auch bedeuten, dass psychologische Hilfe erst notwendig ist. Welche Erfahrungen haben Sie damit gesammelt?
Viele Menschen auf der Flucht haben viele Traumata erlebt und brauchen deswegen psychologische Hilfe. ABER viele werden auch krank weil sie in den schlechten Bedingungen in Lagern wie zum Beispiel Moria über Monate oder Jahre leben müssen. Menschen, die vor der Ankunft voller Energie, Handlungskraft und Resilience waren.
Die psychologische Hilfe, die wir im Lager bieten können, ist wie ein kleines Pflaster auf eine riesige Brandwunde. Wir helfen Menschen die Hoffnung zu erhalten – damit sie die Bedingungen im Lager und die starke Unsicherheit aushalten können.
- Sie sagen, die „größten Verlierer der Krisen sind die Kinder“. Gibt es eine positive Botschaft an sie?
Kinder, und besonders Kinder die Traumata erlebt haben, brauchen Geborgenheit, Sicherheit und das Gefühl der Vorrausichtigkeit. Das bieten leider die Lager überhaupt nicht. Ich habe aber auch viele Kinder getroffen, die trotz alle Belastungen immer noch spielen und Wege finden sich zu entwickeln. Spielen und soziale Unterstützung ist das Allerwichtigste für eine gute Kindheit, und so lange Kinder spielen ist immer Hoffnung!
Mit freundlichen Grüsse von Katrin Glatz Brubakk