6. Oktober 2021, die Flüchtlinge berichten:
Guten Morgen aus Lesbos!
Langsam wird der Tag kalt und windig, aber bei jedem Wetter sind unsere Teams draußen und halten sich damit beschäftigt, das Camp sauber zu halten. Wie an den meisten Samstagen gingen unsere Teams aus, um die Gegend außerhalb des Camps und in der Nähe des Lidl-Supermarkts zu putzen. Dies ist eine Art und Weise, wie wir der Gemeinde helfen und zeigen, dass wir uns auch um diese Bereiche kümmern. Auch die Teams im Innenlager waren wieder sehr beschäftigt.
Sehr schreckliche Nachrichten erreichen uns von Flüchtlingen aus Serbien. Das passiert syrischen Menschen überall. Wir fragen: Wohin sollen wir gehen und was haben wir getan, um so behandelt zu werden?
Wir erhalten laufend Nachrichten von Demonstrationen …
… von sehr mutigen afghanischen Frauen, die mit der vollen Brutalität der Taliban konfrontiert sind. Sie haben mehr Angst vor diesen Frauen als vor amerikanischen Soldaten und sie werden sie bekämpfen, um sie zum Schweigen zu bringen, aber ihre Stimme wird dort sein, wo immer demokratische afghanische Menschen leben.
Während Frauen kämpfen müssen, um in Afghanistan zur Schule gehen zu können, werden hier in Lesbos von afghanische Lehrerinnen Mädchen und Frauen aus Afghanistan unterrichtet.
Sexueller Missbrauch!
Wir freuen uns, dass solche Untersuchungen laufen und jetzt öffentlich gemacht werden. Es muss aber noch viel mehr getan werden, und wir hoffen, dass auch in Griechenland eine ernsthafte Untersuchung durchgeführt wird, denn hier werden sehr viele Geschichten über den Missbrauch sowohl von NGO-Mitarbeitern als auch von Flüchtlingen verbreitet. Mehr als 50 örtlichen Frauen, die sexuellen Missbrauch gemeldet haben. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte, es sei „unentschuldbar.“
Der Bericht wurde von einer unabhängigen Kommission nach einer Untersuchung erstellt. Die Kommission, die Dutzende von Frauen befragte, die behauptet hatten, dass ihnen im Austausch für Sex, Arbeit angeboten wurde, stellte fest, dass 21 der 83 mutmaßlichen Täter bei der WHO beschäftigt waren. Auch einheimische Frauen waren in Krankenhäusern „überfallen“ und zum Sex gezwungen, zwei wurden schwanger.
Die Lager in Samos und Mytilene sind geschlossen
Und sicher. Nichts anderes hören wir von den sauberen Herren und Damen aus Brüssel und Athen. Ein großer Empfang wurde bei der Eröffnung gemacht. Die Flüchtlinge von Samos berichteten uns, dass sie „große Sorgen haben, was derzeit auf der Insel geschieht.“
Nach einem erneuten Brand – was für ein Zufall!!! – versuchten sie am nächsten Tag viele von uns ins neue Lager zu transportieren. Viele weigerten sich, auch viele Einheimische von Samos unterstützten die Flüchtlinge. Wir bleiben aktiv, um sicherzustellen, dass wir alle Lebensmittel und Hygieneartikel innerhalb der nächsten Tage an einem Standort in der Nähe des Zervou-Camps erhalten. Da wir nicht glauben, dass das Lager – eines, das auf die großangelegte Einsperrung von Menschen konzentriert ist – Wir wollen nicht operieren.
Nach einem langen Wochenende mit etlichen Protesten in Vathy (Stadt in Samos) sowie in der Nähe zum neuen Camp, gingen wir, viele Flüchtlinge, hin und schauten das neue Lager an. Das neue Lager kann man mit dem alten nicht vergleichen. Die Unterkünfte sind besser. Es gibt fließendes Wasser und Elektrizität. Das alte Lager war eindeutig unmenschlicher.
Allerdings ist das neue Lager eine Absperrung von Menschen. Es ist sehr weit weg von Vathy, dem einzigen Ort auf der Insel, den die meisten von uns kennen. Auch das neue Lager soll sehr weit von Mytilene gebaut werden. Die Bewegungsfreiheit wird zusätzlich eingeschränkt, da man über 1,5 Std zu Fuß braucht um in der Stadt zu gehen. Dies, ohne einmal die Ausgangssperre zu berücksichtigen. Auch wenn der Transport laut Behörden bereitgestellt wird, muss man 1,60 Euro für ein Einbahnticket bezahlen. Das ist zuviel für uns. Das neue, ferngesteuerte, eingezäunte und hochgesteuerte Gebiet in Zervou wird die Flüchtlinge nur noch weiter diskriminieren und behandelt wie Kriminelle. Das Flüchtlingslager, geplant für 3,000 Asylbewerber auf Samos, ist von Militärzäunen umgeben, es wird von der Polizei überwacht und ist in einem abgelegenen Tal gelegen. Es wird nicht nur von den Flüchtlingen als Gefängnis, als ein Alptraum bezeichnet. Wir können ihre Heuchelei nicht mehr hören. Sie bezeichnen den neuen glänzenden Stacheldraht als Verbesserung. Den alten, verrosteten konnte man in der Nacht nicht sehen. Jetzt strahlt er auch in der Nacht. Sie sagen weiter, dass nirgendwo in der Welt Flüchtlinge in einem Restaurant sitzen und essen können, sogar klimatisiert. 38 € wird das pro Flüchtling pro Tag kosten.
Wir wiederholen daher:
Camps sind kein sicherer Ort.
Camps sind kein Ort für ein würdevolles Leben.
Camps sind nicht die Lösung.